Zwischen Weihnachten und Neujahr und eine Woche vor dem Schwimmtrainingslager war für sechs Unerschrockene noch genügend Zeit, um zwei Tage lang bei den Nordbayern ein paar Bahnen zu ziehen. 24 Stunden schwimmen war angesagt in Mellrichstadt.
Jane, Andreas und Jan waren schon kurz nach 6 Uhr in Magdeburg in den Zug gestiegen, während Sucki noch ein paar Minuten Geduld haben musste, sich der Truppe in Schönebeck anzuschließen. 9:15 Uhr warteten sie im Erfurter Bahnhof beim Bäcker, bevor es mit weiterer Verstärkung durch mich nach Mellrichstadt weiter ging. Dort angekommen konnten wir die Schwimmhalle schon vom Bahnhof aus sehen, so dass wir mit unseren Reiserucksäcken, die mit allerlei Süßkram und anderem Carbo Food gefüllt waren, nur einen kurzen Weg zu laufen hatten. In der Schwimmhalle trafen wir auch Niko, der direkt aus Aachen kam.
Nachdem die Anmeldung durch gewesen war, gab es noch eine kleine Einweisung für die ambitionierten Schwimmer, denen die Bahnen 5 (nur Kraulschwimmer) und 4 (Kraul und Brustschwimmer) vorbehalten waren. Pünktlich um 12 Uhr ging es los. In der ersten Stunde waren circa 16 bis 18 Personen auf Bahn 5. Für durchschnittliche Schwimmer hieß es ruhig bleiben, denn überholen machte keinen Sinn. Die zwei oder drei schnellen Schwimmer wie Sucki bewegten sich permanent in der Mitte. Zu viert nebeneinander gehörte zur Normalität. Irgendwann sah ich, dass Andreas am Beckenrand stand, und meine Uhr, die mich alle zehn Minuten ans Trinken erinnerte, meldete, dass die erste Stunde vorbei war.
Ich ging also raus und Jan und Sucki kamen auch. Jane musste erst auf Bahn drei Schwimmen, weil es keine Badekappen mehr für Bahn 4 und 5 gab. Niko musste für die erste halbe Stunde sogar mit Bahn 1 vorlieb nehmen, konnte nach der Aufwärmphase aber auf eine angemessene Bahn wechseln. Die Badekappen waren begrenzt, um die Bahnen nicht zu voll werden zu lassen, und nummeriert, so dass die Zähler auf Tablets nur immer die Nummern antippen mussten, um mitzuzählen. Wer Pause machte, gab diese zurück, so dass er ausgebucht wurde und jemand anderes schwimmen konnte. Wir machten also Pause, um abzuwarten, bis ein paar Leute weniger im Becken waren. Bei dieser Dichte an Schwimmern müsste jeder Meter doppelt geschwommen werden, meinte Sucki.
Nach einer längeren Pause ging es dann wieder ins Wasser. Jane und ich verfolgten die Strategie, Pausen und Belastungen gleichmäßig zu verteilen. Andreas und Jan wollten lieber bis Mitternacht kürzere Pausen machen, dann länger schlafen, um am nächsten Morgen nochmal richtig loszulegen. Sucki hatte so oder so eine ganz andere Streckenleistung für sich vorgesehen und schien auch keinerlei Müdigkeit durch die Belastung zu kennen. Bei der Teamwertung für die längste Strecke lagen wir auf dem vierten Rang knapp hinter den dritten, die immerhin mehr als doppelt so viel Personal stellten. Platz 1 und 2 boten zehnmal so viel Leute als wir und bewegten sich immer weiter außer Schlagweite. Mit doppelt so viel Personal hätten wir um Längen vorne gelegen.
Gegen Abend deutete sich aber ein Konkurrent für Sucki an. Ein Mitstreiter aus Wien, derim letzten Jahr mit 50 km gewonnen hatte, war seit 12 Uhr nicht aus dem Wasser gekommen und lag permanent knapp vor ihm. Er schwamm zwar nicht schneller als Sucki, machte aber gar keine Pausen. Sucki packte der Ehrgeiz und kam gefühlt zwischen 21 und 2:30 Uhr nur noch zum Auffüllen der Trinkflaschen aus dem Wasser. Seine Box mit Bananen und Süßkram stand sowieso schon am Beckenrand. (In einer kleinen Pause holte er sich auch schnell zwei Pizzen, um nach deren Verschlingen gleich wieder ins Wasser zu springen.)
Andreas machte bis 22 Uhr noch die 20 km voll und versuchte dann im Ruheraum, der gleich unter dem Saal lag, in dem gerade Disco war, etwas Schlaf zu finden. Jane und ich stellten gegen 23 Uhr fest, dass auch Jan schon länger nicht mehr zu sehen war. Niko hatte gegen Abend noch Magenprobleme, weshalb er eine längere Pause machen musste und so hinter seinen Plänen lag. Zwischendurch holte ich mir noch eine zweite, vom Veranstalter frisch zubereitete Pizza, um die Völlerei mit Süßkram etwas abwechslungsreicher zu gestalten, und genoss wie Jane die Leere des Schwimmbeckens mit zeitweise nur vier Schwimmern auf Bahn 4. Zwischen 3 und 4 Uhr hatte ich dann auch endlich die 20 km deutlich überschritten. Neben den schmerzenden Schultern in den ersten zehn Minuten, nachdem man wieder im Becken gewesen war, verließ mich dann auch deutlich die Motivation. Es war fast so, als müsste man nach vier Stunden Radfahren und einer kurzen Pause wieder auf den Sattel. Im Gegensatz dazu konnte ich aber im Wasser nicht frei denken wie bei einer langen Radfahrt oder einem Dauerlauf. Beim Schwimmen war ich permanent Zombie.
Sucki lag gegen 3 Uhr zwei Kilometer vor dem Österreicher und genehmigte sich eine Stunde Schlaf, während ich mal eben ins Wasser sprang. Als ich 4 Uhr aus dem Becken stieg, weckte ich ihn, doch er bat um eine weitere Stunde. Ich legte mich auch wieder ein wenig hin und checkte nochmal den Zwischenstand beim Onlineticker. Als ich feststellte, dass der Österreicher seit einer Stunde wieder im Wasser war und schon wieder 2000 Meter Vorsprung hatte, musste ich Sucki gleich nochmal wecken, was ihm wohl den letzten Schlaf raubte. Ich öffnete gegen 5 Uhr wieder die Augen, um nochmals Weckdienst zu spielen, doch statt Sucki schlief gerade Jane auf der Isomatte. Sucki war wieder im Wasser und hatte nur noch 800 Meter Rückstand. Kurze Zeit später waren auch Andreas und Jan wieder im Wasser. Die Nacht im Schlafraum war weniger erholsam und wurde häufig durch Discolärm oder laute Partybesucher unterbrochen. Von einem erholsamen Schlaf war hier nicht die Rede, aber immerhin konnten sich die Gelenke und Muskeln für eine kurze Zeit ein wenig erholen.
Ich ließ mir Zeit, da mein Ziel von 25 km nur noch eine Stunde entfernt lag und ging erst am Morgen wieder ins Becken. Ich schwamm mit Andreas und Jan, denen die Erschöpfung deutlich anzumerken war, auf Bahn 4. Andreas konnte zwar nicht mehr wirklich schnell, doch aufhören wollte er auch nicht. Zunehmend sah man ihn in Rückenlage oder Brust schwimmen. Als ich ins Becken ging, fragten die Frauen, die die Bahnen zählten, ob sie mir Bescheid geben sollten, wenn meine 25 Kilometer voll wären. Ich sagte, dass ich so oder so eine volle Stunde schwimmen wollte und dass sie mich, falls die 25 noch nicht erreicht wären, wieder hinein schubsen sollten. Als ich nach 39 Minuten auf Toilette musste, war ich dann bei 25050 Meter und schwamm danach noch die letzten 21 Minuten spürbar schneller. Nach genau neun Stunden hatte ich dann 26050 Meter. Das sah auch irgendwie doof aus und ich beschloss, noch 200 Meter drauf zu legen. Als das geschafft war, war ich auch geschafft. Um aus dem Wasser zu steigen, mache ich normalerweise einen Zug und hocke dann am Beckenrand. Mittlerweile reichte es fast nicht einmal mehr, um mich auf den Beckenrand zu setzen, und ich drohte fast wieder hinein zu rutschen.
Das war es für mich. Meine Pflicht war erfüllt. Ich beschloss kurz nach 6 Uhr Feierabend zu machen und den anderen über die Schulter zu schauen. Jan und Niko taten es mir ein paar Stunden später mit genau 25km gleich. Jane und Andreas zogen in Ruhe ein paar Bahnen, machten kurze Pausen und gingen gleich wieder ins Wasser. So näherten sie sich immer mehr der 30-Kilometer-Marke. Sucki hatte mittlerweile seinen Konkurrenten fast eingeholt. Weil der das Tempo von Bahn 5 etwas später nicht mehr halten konnte, ist er etwas später auf Bahn 4 gewechselt. Vielleicht auch weil ich Sucki am Beckenrand seinen restlichen Rückstand gesagt hatte und er es wohl gerade mitbekommen hatte.
Irgendwann waren dann auch die schnellen Schwimmer sichtlich mitgenommen und überholten auch nicht mehr ganz so oft. Sucki zog seelenruhig Bahn um Bahn. Sein Konkurrent machte dann hin und wieder Pausen, so dass Suckis Vorsprung immer mehr wuchs. Sein Plan, die letzten zwei Stunden nicht mehr zu schwimmen, rückte wieder näher. Als er dann circa 10 Uhr bei 60,75 km aus dem Wasser stieg, bemühten wir uns alle noch im Kopfrechnen, ob der Österreicher die mittlerweile 6 km Vorsprung noch schaffen könnte. Sucki wollte notfalls um 11 Uhr nochmals ins Wasser, doch der Ösi hatte sein Ziel von 55 km erfüllt und legte nur noch zwei weitere Kilometer oben drauf. Überraschenderweise hatte unser Team mittlerweile auch wieder den dritten Platz in der Teamwertung erreicht. Genauere Beobachtungen ergaben, dass die bisher Drittplatzierten nicht mehr im Wasser waren und so auch kein Druck mehr auf uns lastete, den Vorsprung zu halten.
Jane hatte dann auch die 30km geschafft und beabsichtigte nicht mehr ins Wasser zu gehen. Für Andreas hingegen ging es noch um die Ehre. Er lag noch auf einem guten Platz in den Top 10. Doch ein Schwimmer mit der Nummer 19 auf der gleichen Bahn lag nur knapp hinter ihm, wirkte aber um einiges schneller. Wir versuchten Andreas, noch mehrmals zu motivieren, und er machte noch ein paar Bahnen. Später stellte sich heraus, dass Nummer 19 in der Wertung "Jugendliche" geführt wurde und Andreas ihm nicht mehr davon schwimmen konnte. Auch für ihn hieß es somit, endlich Schluss zu machen. Mittlerweile war auch Doreen zur Unterstützung aus Erfurt eingetroffen, konnte wegen Magenproblemen aber dann doch nicht ins Wasser.
Die letzten Minuten wurden mit lauter Musik eingeläutet und es ergaben sich mehrere Gespräche mit Radioreportern und dem Veranstalter vom Meininger 24-Stunden-Schwimmen, der von unserer Teamleistung beeindruckt war und uns gerne am 20. Juli nach Meiningen eingeladen hat. Wir könnten eine Bahn nur für unseren Verein haben, meinte er, doch wir mussten ihn sogleich enttäuschen, zumal Triathleten im Sommer anderweitig ausgebucht sind. Die Siegerehrung lief, wie man es auch von anderen Veranstaltungen kannte. Das Versprechen 30 Minuten nach Wettkampf-Ende zu beginnen, konnte wegen der langsamen Drucker nicht gehalten werden.
Nachdem dann auch der Bürgermeister und ein Vertreter des “Bayrischen Roten Kreuz” gesprochen hatten, wurden zuerst die Pizzabäcker ausgezeichnet, die einen echt guten Job gemacht haben. In der Gruppenwertung nach erreichter Länge wurden “wie jedes Jahr” die Wasserwacht aus Wülfershausen und Mellrichstadt ausgezeichnet. Für eine Überraschung sorgten unsere sechs Schwimmer, die sich mit gut 200 km kurz vor Schluss noch vor die Viertplatzierten setzen konnten. Da man annahm, dass die Gruppenstärksten und damit auch die wahrscheinlichsten Sieger der Streckenwertung wie in den Vorjahren aus der Umgebung kommen, wurden statt Pokale nur Eintrittsgutscheine verschenkt. Daher gab es leider nichts für die Vitrine. Man gelobte aber für das nächste Mal Besserung. Zweiter Höhepunkt für uns war dann, als Sucki für den ersten Platz ausgezeichnet wurde. Nach der Siegerehrung kam dann nochmal der Chef-Organisator zu uns und bedankte sich für unsere Teilnahme und dass die gesamte Veranstaltung sehr fair und freundlich über die Bühne ging. Vermutlich hatte man wohl auch wegen der Übermüdung der Teilnehmer schon schlimmere Erfahrungen machen müssen, zumal bei vollen Bahnen damit zu rechnen ist, dass der ein oder andere mal was abbekommt.
Auf der Rückfahrt, zu fünft im kleinen Peugeot 206 mit viel zu viel Gepäck ging es nach Erfurt. Kurz nach der Auffahrt auf die Autobahn wurde es ruhig. Doreen fuhr und nur Andreas schaute sichtlich erschöpft mit offenen Augen aus dem Fenster. Der Rest schlief schon. Nach einer Stunde warfen Doreen und ich Sucki, Jan und Andreas am Bahnhof aus dem Auto. Für sie ging es jetzt mit dem Zug circa 2,5 Stunden zurück nach Magdeburg.
Nachdem ich zuhause war, legte ich mich für eine Stunde hin, damit ich auch in der Nacht noch schlafen konnte. Von 21 bis 10:30 Uhr habe ich dann tief und fest durchgepennt. Gleich geht es noch zur Physio, um mir die verspannten Schultern behandeln zu lassen. Jan meinte, er habe 18 Stunden am Stück gepennt, weil im überfüllten Zug fast nicht an Schlaf zu denken war. Mein Fazit: schönes Event, aber einmal im Jahr reicht vollkommen aus.
Christian Huth, 30.12.2013
Antworten
Re: Der frühe Vogel schwimmt 24 Stunden im Kreis
Glückwunsch euch "Early Birds". Wahnsinn ich hab mit Annett alles im Live Ticker verfolgt es war wirklich spannend und aufregend. Da hat der USC den Bayern aber mal sowas von das Fürchten gelehrt mit Maximus-KM-Sucky an der Spitze.
Christian Damboldt, 30.12.2013
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